Kontinuität antiziganistischer Polizeiarbeit
Antiziganismus, also der Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze, ist schon immer und bis heute ein prägendes Element deutscher Polizeiarbeit. 2018 veröffentlichte das Berliner LKA die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2017. Darin wurde behauptet, dass bestimmte Delikte überwiegend von Rom*nja begangen würden. Medien griffen die Aussage auf. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma wandte sich direkt an Innensenator Geisel und forderte die Streichung der Passage. Geisel verweigerte dies mehrfach und erklärte, diese Aussage begründe sich aus dem sogenannten polizeilichen Fachwissen der Ermittler*innen.[1]
Erst nachdem Roma-Selbstorganisationen sich mit ihrer Kritik an Medien und an die Berliner Datenschutzbeauftragte wandten, wurde die Passage gestrichen. Bis heute wurde jedoch nicht aufgeklärt, auf welcher Basis die Aussage überhaupt getroffen wurde. Vielmehr gab es weitere Enthüllungen, die den Verdacht erhärten, dass die Polizei intern mit rassistischen Datenbanken arbeitet. [2]
In Bezug auf Rom*nja und Sinti*zze wird außerdem immer wieder öffentlich, dass ganze Stammbäume von Familien erstellt werden – so wie seinerzeit unter den Nationalsozialisten. Es gibt eine Kontinuität antiziganistischer Polizeiarbeit spätestens seit dem Kaiserreich. Im Nationalsozialismus wurden Sinti*zze und Rom*nja durch die Polizei in einer separaten Kartei erfasst. Polizeispezialisten waren für die Deportationen von Sinti*zze und Rom*nja verantwortlich und sie konnten ihre Expertise auch in der BRD weiter einbringen. Die Karteien aus dem Nationalsozialismus wurden durch Polizeibehörden der BRD oft bis in die 80er Jahre weiterverwendet, teils unter Angabe der KZ-Häftlingsnummern der Betroffenen.[3]
Antiziganismus bei den sogenannten Sicherheitsbehörden ist ein Thema, mit dem sich Roma-Selbstorganisationen immer wieder auseinandersetzen müssen. Von Racial Profiling etwa im Berliner Hauptbahnhof oder dem Görlitzer Park sind immer wieder Rom*nja betroffen. Zahlreiche Rechtsverstöße der Polizei sind dokumentiert. So wird Betroffenen zum Beispiel ihr ganzes Bargeld oder ihr Handy abgenommen. Gegen so etwas vorzugehen ist schwierig bis unmöglich, und zwar auch, wenn sich überhaupt keine Straftat der Betroffenen nachweisen ließ. Stattdessen gibt es Polizisten, die sich bei jeder Gelegenheit prominent in Medien mit antiziganistischen Äußerungen hervortun. Konsequenzen hat das für sie offensichtlich nicht.
Es gibt Häuser in Berlin, die als sogenannte Roma-Häuser gelten. Die Bewohner*innen sind permanent polizeilichen Schikanen und Demütigungen ausgesetzt, befeuert von den Medien. Hinzu kommen Abschiebungen und die Räumung von obdachlosen Menschen aus Berliner Parks. Von beidem sind immer wieder auch Rom*nja betroffen. Bei Räumungen wird häufig der gesamte persönliche Besitz beschlagnahmt und zerstört, ebenfalls eine klare Grundrechtsverletzung. Die rassistischen Debatten und Razzien im Bereich der sogenannten Clan-Kriminalität meinen stets auch Rom*nja und betreffen sie. Als es im letzten Jahr zu einem Corona-Ausbruch in der Harzer Straße kam, war es in der Berichterstattung allgegenwärtig, dass es sich um sogenannte Roma-Häuser handle. Politiker sprachen davon, dass notfalls die Polizei eingeschaltet werden müsse, wenn die Bewohner*innen sich nicht an die Regeln hielten. Medien berichteten und zeigten, um welche Häuser es sich genau handelte. Das ist nicht nur eine öffentliche Stigmatisierung, sondern erhöht für die Bewohner*innen auch die Gefahr rassistischer Angriffe deutlich. Für die Betroffenen wird ein Klima der Angst geschaffen und eine Drohkulisse aufgebaut. [4]
Rom*nja und Sinti*zze sind bei deutschen Sicherheitsbehörden permanent einem pauschalen Generalverdacht ausgesetzt, während ihre Grundrechte mit Füßen getreten werden.
Amaro Foro vertritt die Interessen von Rom*nja in Berlin und dokumentiert Diskriminierungen und Übergriffe. Wir kämpfen gegen Rassismus und Ausgrenzung. Die permanente rassistische Bedrohung ist für Rom*nja immer noch eine bittere Realität und zwar durch die extreme Rechte ebenso wie durch die sogenannte Mehrheitsgesellschaft und Teile des deutschen Staates. Amaro Foro bedeutet Unsere Stadt. Die Stadt gehört allen Menschen, die in ihr leben, egal welche Staatsbürgerschaft oder welches Aussehen sie haben. Und das gilt für jede Stadt, jedes Dorf und jedes Land.
Weiterführende Quellen
[1] Mehr dazu: Riese, Dinah 2019: Pauschal gegen Sinti und Roma. Online unter: https://taz.de/Polizei-unter-Diskrimierungsverdacht/!5626822/; Podsadny, Luisa 2021: Kriminalstatistik Berlin. Gesellschaft für Freiheitsrechte. Online unter: https://freiheitsrechte.org/kriminalstatistik-berlin/
[2] Mehr dazu: Pressemitteilung 2020: Innensenator Geisel trifft Romani Rose, den Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma. Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Online unter: https://zentralrat.sintiundroma.de/geisel-rose/
[3] Mehr dazu: End, Markus 2019: Antiziganismus und Polizei. Schriftenreihe Band 12, hg. vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Heidelberg. & End, Markus 2017: Antiziganistische Ermittlungsansätze in Polizei- und Sicherheitsbehörden. Kurzexpertise im Auftrag des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Heidelberg
[4] Mehr dazu: Memarnia, Susanne 2020: Corona fördert den Rassismus. TAZ. Online unter: https://taz.de/Haeuserblocks-in-Berlin-unter-Quarantaene/!5690043/; 5 Jahre Dokumentationsstelle Antiziganismus. Ein Rückblick. Amaro Foro. Online unter: https://amaroforo.de/2019/03/03/1141/