Bürgerrechtsbewegung der Sinti*zze und Rom*nja

In den 70er Jahren schlossen sich deutsche Sinti*zze und Rom*nja zur Bürgerrechtsbewegung zusammen: Als am 31. Mai 1973 der Sinto Anton Lehmann von der Polizei erschossen wurde, organisierte der von Vinzenz Rose initiierte „Verband Deutscher Cinti“ in Heidelberg die erste öffentliche Demonstration gegen die Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja.

Mit Blick auf diese Minderheit bestanden in der deutschen Nachkriegsgesellschaft viele personelle und ideologische Kontinuitäten zur NS-Zeit. Ehemalige NS-Täter*innen blieben in der Justiz, Polizei, Politik und Verwaltung weiter aktiv und konnten ihre Karrieren fortsetzen. 1956 befand der Bundesgerichtshof in einem Skandalurteil, dass die NS-Verfolgung der Minderheit nicht aus sog. „rassischen“ Gründen, sondern aus „kriminalpräventiven“ erfolgt sei.

Antiziganistische Vorurteilsstrukturen setzen sich nach 1945 unhinterfragt und bruchlos fort. Bis in die 70er Jahre wurden die Akten zur Erfassung der Minderheit aus der NS-Zeit weiterverwendet und fortgeschrieben. Der nationalsozialistische Völkermord an Sinti*zze und Rom*nja wurde hingegen bis 1982 nicht anerkannt.

Dieser Aspekt der nationalsozialistischen Verfolgungsgeschichte geriet erstmals ins öffentliche Bewusstsein als der Verband Deutscher Cinti auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen eine Gedenkkundgebung für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti*zze und Rom*nja abhielt. Das Gedenken am 27. Oktober 1979 und der Hungerstreik 4. April 1980 auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau erreichten eine große internationale Weltöffentlichkeit. Unter ihnen – in KZ-Häftlingskleidung – die drei KZ-Überlebenden Jakob Bamberger, Hans Braun und Franz Wirbel. Es ist der zentrale Verdienst der damaligen Bürgerrechtler das öffentliche Interesse auf diesen Teil der NS-Geschichte gelenkt zu haben. Darüber hinaus traten die Protestierenden für Aufklärung und Transparenz ein, hinsichtlich des Verbleibs der kriminalpolizeilichen Akten über Sinti*zze und Rom*nja.

Ein weiteres bedeutendes Thema der Bürgerrechtsaktivist*innen war die Polizeigewalt, denn bis in die 80er Jahre erschoss die Polizei mindestens 14 Sinti. Neun Verbände der Bürgerrechtsbewegung gründeten im Februar 1982 den „Zentralrat Deutscher Sinti und Roma“. Der Vorsitzende ist seither Romani Rose. Es war auch der Beginn einer stärkeren Vernetzung unter Aktivist*innen. In Folge der Protestbewegung erkannte die damalige Bundesregierung unter Helmut Schmidt schließlich den Völkermord am 17. März 1982 an.