„SIE WÜNSCHEN SICH BILDUNG UND FINDEN ANTIZIGANISMUS“

Belltower News, 27.5.2021, Rosa Fava

Rosa Fava vom Belltower News befragte unsere Kolleg*innen Georgi Ivanov und Eileen König zu unserer Arbeit mit Familien und Jugendlichen.

„Georgi Ivanov: Erstmal haben Romajugendliche genau dieselben Probleme und Herausforderungen wie alle anderen Jugendlichen, mit ihrer Rolle in der Gesellschaft, mit ihrem sozialen Status. Dann gibt es Jugendliche, die rassistisch gemobbt oder diskriminiert werden. Es gibt auch Romajugendliche, die mehrdimensional diskriminiert werden. Homophobie spielt auch eine große Rolle.

In der Anlaufstelle ist es außerdem schwierig, Jugend- und Familienthemen zu trennen. Es geht um die Wohnsituation, um Krankenversicherung, oft auch um Schulden. Nicht selten waren Familien verschuldet, weil die Jugendlichen ohne Ticket zur Schule gefahren sind. Seit zwei Jahren gibt es das kostenlose Schulticket, aber das muss beantragt werden. Das größte Problem ist die Bildungssituation, besonders für diejenigen, die mit 16/17 Jahren nach Berlin kommen. Es gilt keine Schulpflicht, und die Jugendlichen müssen eine Schule finden, die sie nimmt, auch ohne Deutschkenntnisse. Manche können nichts tun, als sich den ganzen Tag zu langweilen oder gleich in die Arbeitswelt einzusteigen. Zum Sprachkurs können sie auch nicht, wenn die Familie nicht im Leistungsbezug ist, sonst müssen sie selbst den Kurs bezahlen und viele Familien haben das Geld nicht. Die Jugendlichen wollen dann arbeiten, landen ohne (anerkannte) Abschlüsse aber im Niedriglohnsektor. Schon einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz zu finden ist schwierig. Mobbing, Diskriminierung kommt dann sehr oft hinzu.

Eileen König: Viele möchten nicht zur Schule gehen, weil sie dort Mobbing oder Rassismus erleben, oder weil sie nicht aus den Willkommensklassen herauskommen. Die Übergänge sind schwierig ohne Abschlüsse und mit wenig Deutschkenntnissen. Während der Pandemie ist dazugekommen, dass viele nicht die technische Ausstattung haben, die man braucht, um die Ausbildung digital weiterzuführen. Sie haben vielleicht nur ein Smartphone, und auch das haben nicht alle. Darauf können sie nicht richtig am Homeschooling teilnehmen oder einen Lebenslauf schreiben. Und sie wissen oft nicht, wo sie hingehen können, um kostenfrei einen Laptop oder PC zu benutzen.“