Weitere Entrechtung von EU-Bürger*innen in Deutschland
nicht hinnehmbar
Amaro Foro kritisiert das „Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch“
6.6.2019
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Der Deutsche Bundestag berät heute ab 13.35 Uhr abschließend über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der vorgibt, illegale Beschäftigung und „Sozialleistungsmissbrauch“ bekämpfen zu wollen – tatsächlich werden mit diesem Gesetz EU-Migrant*innen unter Generalverdacht gestellt und ihre sozialrechtliche Benachteiligung fortgesetzt.
„Obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 2012 klargestellt hat, dass die Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist, versucht die Bundesregierung weiterhin, bestimmte Gruppen systematisch zu entrechten. Unionsbürger*innen sind durch die sozialrechtlichen Ausschlüsse der letzten
Jahre bereits jetzt ,Menschen zweiter Klasse‘ in Deutschland. Ihre höchst prekäre Situation und ihre Ausbeutung durch Teile der deutschen Wirtschaft werden ausgeblendet oder ihnen selbst angelastet. Durch das neue Gesetz wird es zu einer Zunahme von Verelendungserscheinungen kommen; die Familienkasse wird zum verlängerten Arm der Ausländerbehörde“, erläutert Georgi Ivanov, Sozialberater bei Amaro Foro e.V.
Das Gesetz sieht zum einen vor, die Befugnisse des Zolls zu stärken, um gegen illegale Beschäftigung vorzugehen. Dieses an sich richtige Ansinnen wird in dieser Form jedoch vor allem die Arbeitnehmer*innen, also die Leidtragenden, nicht die Profiteur*innen treffen. Kosten soll das Gesetz den Bund 99,47 Millionen Euro, davon 97 Millionen bei der Zollverwaltung. Das Geld wäre in Beratungsstrukturen zum Thema Arbeitsrechte, kostenlosen Sprachkursen und Angeboten der Arbeitsmarktintegration besser investiert. Nur so lassen sich langfristig die Rechte von migrantischen Arbeitnehmer*innen gegenüber ausbeuterischen Arbeitgeber*innen stärken.
Zum anderen sollen nicht erwerbstätige EU-Bürger*innen vom Kindergeldbezug ausgeschlossen werden. Das betrifft auch ehemalige Arbeitnehmer*innen, die hier leben und deren Kinder hier zur Schule gehen, obwohl ihr Aufenthaltsrecht sich aus der Ausbildung ihrer Kinder ableitet. Auch EU-Bürger*innen, die aufgrund von Fürsorge für Kinder, ältere oder kranke Menschen nicht erwerbstätig sein können, sollen zukünftig kein Kindergeld mehr erhalten.
Insofern werden mit dem Gesetz insbesondere alleinerziehenden Müttern, Schwangeren und erkrankten Menschen aus dem EU-Ausland weiter die Lebensgrundlagen in Deutschland entzogen. Zum Thema Kindergeld heißt es im Gesetzentwurf, „seit mehreren Jahren“ habe „die missbräuchliche Beantragung in organisierter Form zugenommen“. Im März 2018 räumte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage allerdings selbst ein, dass überhaupt keine Zahlen zu „Missbrauchsfällen“ beim Kindergeld existieren. „Wir beobachten und kritisieren die sukzessive Entrechtung von Unionsbürger*innen in Deutschland seit Jahren, ebenso wie viele andere Sozialverbände und Beratungsstellen. Obwohl Deutschland die UNKinderrechtskonvention unterzeichnet hat und das Grundgesetz die Familie unter besonderen Schutz stellt, wird der Kindergeldbezug von nichtdeutschen Familien immer wieder in Frage gestellt und erschwert, schon jetzt kann von einer strukturellen Benachteiligung gesprochen werden. Dabei haben bereits die letzten Sozialrechtsausschlüsse verheerende Auswirkungen gehabt. Die Folge sind Verelendungserscheinungen: In deutschen Grünanlagen kann man inzwischen immer häufiger wohnungslose Familien mit Kindern antreffen. Dabei stellt das EU-Recht ganz klar, dass bei Kindergeldleistungen das Gleichbehandlungsgebot von Unionsbürger*innen mit deutschen Staatsbürger*innen gilt“, betont Georgi Ivanov.