Im Rahmen unseres Projektes Diversity in Media haben wir ein Glossar zum Thema Antiziganismus entwickelt. Für einen diskriminierungssensiblen Bericht ist es wichtig, Begriffe präzise zu verwenden und sich möglicher Chiffren bewusst zu sein. Oft bleibt Medienschaffenden dafür nicht genug Zeit. Das Glossar dient hier als Hilfestellung für die tägliche Redaktionsarbeit. Es wird regelmäßig aktualisiert und erweitert.
A
Antiziganismus
Antiziganismus ist der spezifische Rassismus gegenüber Menschen, die ➝ Rom*nja oder ➝ Sinti*zze sind oder dafür gehalten werden. Der Begriff verweist auf jahrhundertealte Stereotype, strukturelle Ausgrenzung und Gewalt bis hin zum ➝ Genozid unter den Nationalsozialisten. Der Begriff wird mitunter kritisiert, weil er sprachlich auf die rassistische Fremdbezeichnung Bezug nimmt. Es gibt Organisationen und Aktivist*innen, die Begriffe wie ➝ Antiromaismus oder ➝ Gadje-Rassismus bevorzugen. Amaro Foro befürwortet den Begriff Antiziganismus, gerade weil er sprachlich das rassistische Zerrbild der Dominanzgesellschaft betont, das mit realen Rom*nja und Sinti*zze gar nichts zu tun hat. Außerdem ist der Begriff durch die langen Kämpfe vieler ➝ Selbstorganisationen inzwischen relativ etabliert und wird in vergleichbarer Form (z.B. antigypsyism) international verwendet.
Antiromaismus
Antiromaismus ist eine weitere Bezeichnung für den spezifischen Rassismus gegenüber ➝ Rom*nja und ➝ Sinti*zze. Der Begriff verzichtet auf die Reproduktion der rassistischen Fremdbezeichnung. Siehe auch ➝ Antiziganismus, ➝ Gadje-Rassismus.
Antislawischer Rassismus
Antislawischer Rassismus bezeichnet die Diskriminierung gegenüber Menschen, denen zugeschrieben wird Slaw*innen zu sein. Seit der europäischen Aufklärung (philosophische und politische Reformbewegung Ende des 17. Jahrhunderts) gab es in Westeuropa eine Abwertung des »Orients« (Osten) als rückschrittlich und minderwertig gegenüber dem »Okzident« (Westen). Die Nationalsozialisten nutzten diesen rassistischen Diskurs und konstruierten Slaw*innen als eine »biologische Rasse«, um entmenschlichende und ausbeuterische Siedlungs- und Kriegspolitik in allen Ländern östlich des deutschen Staatsterritoriums zu rechtfertigen. Dementsprechend bezieht sich antislawischer Rassismus auf Bevölkerungsgruppen, die in Osteuropa verortet werden. Da auch ➝ Rom*nja fälschlicherweise primär »im Osten« verortet werden, überrascht es nicht, dass viele der gängigen antiziganistischen Stereotype sich auch in antislawischen Diskursen wiederfinden. Viele Migrant*innen aus Osteuropa sind, unabhängig von ihrer tatsächlichen nationalen und ethnischen Identität, von diesen Diskriminierungsformen betroffen. Das Phänomen des antislawischen Rassismus steht außerdem in Wechselwirkung mit Antisemitismus und Antikommunismus.
Arbeitsmigration
Die Migration von Menschen aus ärmeren ➝ EU-Staaten nach Deutschland wurde in deutschen Medien oft als »Armutseinwanderung« bezeichnet, aber dieser Begriff ist diskreditierend und sachlich falsch. Menschen, die nach Deutschland kommen, um zu arbeiten, leben vor allem deshalb häufig unter schwierigen Bedingungen, weil sie oft auf Tätigkeiten im Niedriglohnsektor angewiesen und von Arbeitsausbeutung betroffen sind. Sie benötigen deshalb Sozialleistungen zur Existenzsicherung und bekommen diese nur, wenn sie erwerbstätig sind. Auch Diskriminierung infolge rassistischer und antiziganistischer Mediendebatten wirkt sich häufig auf ihre Lebensbedingungen aus. Statt rassistisch aufgeladene Begriffe wie »Armutsmigration« oder »Wanderarbeiter« zu benutzen, wäre es sachlich korrekt, von einer Arbeitsmigration zu sprechen.
B
Balkan
Balkan bezeichnet eigentlich eine geografisch nicht klar definierte Halbinsel in Südosteuropa. Im allgemeinen Sprachgebrauch umfasst diese Griechenland, Albanien, Bulgarien, ➝ Rumänien, Montenegro, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien und Slowenien. Der Begriff wird häufig als eine Chiffre für ➝ Rom*nja verwendet, weil in diesen Ländern der Bevölkerungsanteil der Rom*nja relativ hoch ist und weil gängige rassistische Klischees vom Balkan sich mit antiziganistischen Klischees überschneiden. Der Balkan wird aus nordwesteuropäischer Perspektive häufig als das schlechthin Andere imaginiert, als wild, chaotisch und fremd, als vermeintlich »außerhalb Europas« und als Gefahr für das (christliche) Abendland. Auch ➝ antislawischer Rassismus spielt dabei eine Rolle.
Bulgarien
Bulgarien ist wie ➝ Rumänien auch eines der EU-Mitgliedsländer auf dem ➝ Balkan, in dem es eine relativ große Roma-Community gibt. Bulgarien und Rumänien traten 2007 der EU bei und aufgrund der antiziganistischen Mediendebatte um diesen Beitritt wird auch »Bulgaren« bis heute als eine Chiffre für ➝ Rom*nja verstanden. Hier spielen auch das Klischee vom Balkan sowie antislawischer Rassismus eine Rolle.
Bürgerrechtsbewegung
Bürgerrechtsbewegung bezieht sich im Kontext von ➝ Sinti*zze und ➝ Rom*nja auf die Kämpfe der deutschen Sinti*zze ab den 1970er Jahren. Als am 31. Mai 1973 der Sinto Anton Lehmann von der Polizei erschossen wurde, organisierte der von Vinzenz Rose initiierte »Verband Deutscher Cinti« in Heidelberg die erste öffentliche Demonstration gegen die Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja. Deutsche Sinti*zze, darunter KZ-Überlebende, forderten die Anerkennung des ➝ Genozids durch die Bundesregierung, eine Bekämpfung von antiziganistischer Diskriminierung und ein Ende rassistischer Polizeiarbeit. Mit Aktionen wie Hungerstreiks und Besetzungen von KZ-Gedenkstätten bauten sie politischen Druck und öffentliche Sichtbarkeit auf und erreichten so unter anderem die Anerkennung des ➝ Porajmos durch Bundeskanzler Helmut Schmidt 1982.
C
Calé
Calé ist eine Selbstbezeichnung der ➝ Rom*nja, die seit mindestens 700 Jahren auf der iberischen Halbinsel leben, sowie der Communities, die nach der Kolonialisierung durch Spanien und Portugal nach Mittel- und Südamerika migriert sind. Calé/Kale kommt aus dem ➝ Romanes und bedeutet »Schwarze« und wird z.T. auch von Gruppen in anderen Ländern als Selbstbezeichnung genutzt. Häufig wird auch der Begriff ➝ Gitanos als übergeordnete Selbstbezeichnung aller Roma-Communities im spanischsprachigen Raum genutzt.
E
EU-Bürger*innen
Mit »EU-Bürger*innen« sind im deutschen Kontext Menschen aus allen ➝ EU-Mitgliedsstaaten ohne deutsche Staatsbürgerschaft gemeint. Aufgrund der EU-Freizügigkeit haben sie – anders als Menschen aus Nicht-EU-Staaten – das Recht, in Deutschland ohne Visum oder Asylantrag einzureisen und hier ohne Aufenthaltserlaubnis zu leben und zu arbeiten. Sie haben jedoch nicht die gleichen Rechte wie deutsche Staatsbürger*innen, etwa beim Zugang zu sozialen Sicherungssystemen. Zudem belegen Studien, dass sie immer wieder Diskriminierung erfahren, obwohl das EU-Recht diese untersagt.
EU-Staaten
Belgien, ➝ Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, ➝ Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
G
Gabor
Gabor ist die Selbstbezeichnung einer, in der Regel christlichen, Roma-Community, die seit über 500 Jahren in Siebenbürgen (im heutigen ➝ Rumänien) lebt. Viele Angehörige der Gruppe tragen »Gabor« auch als Vor- oder Nachnamen. Ursprung und Bedeutung der Selbstbezeichnung sind nicht zweifelsfrei geklärt. Eine Erzählung berichtet von einem gemeinsamen Vorfahren mit diesem Namen. Eine andere Theorie besagt, der Name ginge auf den ungarischen Fürsten Gábor Bethlen zurück, der den ➝ Rom*nja vor ca. 500 Jahren Bleiberecht in Siebenbürgen zusprach. Geklärt ist, dass die Community rund um den Ort Tîrgu Mureş in diesem Zeitraum von ungarischen Fürsten eine Ansiedlungserlaubnis erhielt. Sie waren daher weniger von den ökonomischen Ausschlüssen betroffen, mit denen viele Rom*nja bis heute konfrontiert sind. In Bezug auf die Gabor wird häufig von einem spezifischen Brauchtum und Traditionen berichtet. Leider nehmen Medienschaffende diese immer wieder zum Anlass für sehr generalisierende und exotisierende Reportagen über die Community. Hierbei wird in der Regel nicht differenziert auf historisch-materielle Zusammenhänge eingegangen und so letztlich ein essentialistisches, stereotypes Bild von den Gabor und Rom*nja allgemein verfestigt.
Gadje
Gadje-Rassismus
Gadje-Rassismus ist eine Bezeichnung für den spezifischen Rassismus gegenüber ➝ Rom*nja und ➝ Sinti*zze. Der Begriff wurde in den letzten Jahren verstärkt von Rom*nja-Aktivist*innen verwendet, um auf die Reproduktion der rassistischen Fremdbezeichnung zu verzichten. Er betont aus der Perspektive der Betroffenen, dass der Rassismus von ➝ Gadje ausgeht, also von Nicht-Rom*nja. Siehe auch ➝ Antiziganismus, ➝ Antiromaismus.
Geflüchtete
Geflüchtete sind Menschen, die aus schwerwiegenden Gründen aus ihrem Heimatland geflohen sind und in Deutschland meist kein sicheres Aufenthaltsrecht haben. Die meisten von ihnen beantragen Asyl, das jedoch vor allem aufgrund der Asylrechtsverschärfung von 1993 den meisten nicht gewährt wird. Ausschließlich nachweisbare politische Verfolgung wird als Asylgrund anerkannt. Einige Geflüchtete werden trotz fehlendem Asylanspruch als Flüchtlinge nach der Genfer Konvention anerkannt oder erhalten ➝ subsidiären Schutz. Menschen, die in keine dieser drei Kategorien fallen, aber dennoch nicht abgeschoben werden dürfen, bekommen oft eine Duldung.
Gitanos
Gitanos ist die gängige Bezeichnung für Rom*nja im spanischsprachigen Raum. Hierbei handelt es sich ursprünglich um eine Fremdbezeichnung durch die Mehrheitsgesellschaft, die in ihrer Bedeutung nicht grundlegend abwertend ist, aber häufig rassistisch aufgeladen wird. Gitano kommt vom spanischen egiptano (»Ägypter«) und beruht auf der inzwischen widerlegten Theorie, ➝ Rom*nja kämen ursprünglich aus Ägypten (siehe auch ➝ Gypsies). Der Begriff wurde sich empowernd angeeignet und wird als Selbstbezeichnung aller Roma-Communities im spanischsprachigen Raum genutzt.
Gypsies
Gypsies ist eine Fremdbezeichnung für ➝ Rom*nja und Traveller im Englischen. Das Wort kommt von egyptian (»Ägypter«) und beruht auf der inzwischen widerlegten Theorie, Rom*nja kämen ursprünglich aus Ägypten (siehe auch ➝ Gitanos). Das Wort wird häufig abwertend, aber innerhalb der Communities auch als empowernde Selbstbezeichnung genutzt. Im Kontext von Großbritannien wird häufig von »Gypsies, Roma and Traveller« gesprochen. Traveller gehören in der Regel nicht der ethnischen Gruppe der Rom*nja an, sondern sind irischer Herkunft. Aufgrund der geteilten Diskriminierungserfahrungen organisieren sie sich im englischsprachigen Raum aber häufig gemeinsam.
H
Hederlezi
Hederlezi bzw. das St.-Georgs-Fest ist für viele ➝ Rom*nja aus osteuropäischen Staaten ein wichtiger Feiertag. Traditionell werden zu diesem Frühlingsfest Lämmer geschlachtet. Der Feiertag ist etwas Besonderes, weil er sowohl eine christliche als auch eine muslimische Tradition mit jeweils eigener Legende hat. Aufgrund seiner Bedeutung für die Roma-Communitys feiern auch Amaro Foro und andere ➝ Roma-Selbstorganisationen diesen Tag.
K
Kalderasch
Kalderasch ist die Selbstbezeichnung einer Roma-Community aus Siebenbürgen, die aber seit mehreren Jahrhunderten in ganz Europa ansässig ist. Die Selbstbezeichnung kommt vom rumänischen căldărar (»Kesselschmied«). Aufgrund der vielen Arbeits- und Ansiedlungsverbote, denen Rom*nja historisch in Europa ausgesetzt waren, mussten sie sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren; so zum Beispiel auf das Kesselflicken (siehe auch ➝ Lovara).
Kumulative Diskriminierung
Kumulative Diskriminierung bezeichnet im Asylrecht eine Diskriminierung, die die Qualität einer politischen Verfolgung erreicht. Sie findet in mehreren Lebensbereichen statt und addiert sich zu einem umfassenden gesellschaftlichen Ausschluss. Beispielsweise sind ➝ Rom*nja in den Westbalkanstaaten häufig vom regulären Arbeitsmarkt, dem Gesundheitssystem, akzeptablem Wohnraum und dem Bildungssystem weitgehend ausgeschlossen. Deutschland erkennt die kumulative rassistische Diskriminierung von Rom*nja jedoch nicht als Asylgrund an.
L
Lovara
Lovara ist eine Selbstbezeichnung meist christlicher ➝ Rom*nja. Es wird davon ausgegangen, dass sie im heutigen ➝ Rumänien jahrhundertelang als Leibeigene ausgebeutet und sogar versklavt wurden. Mit dem Ende der Leibeigenschaft im 19. Jahrhundert migrierten viele von ihnen nach Mittel- und Westeuropa. Lovara kommt vom ungarischen ló (»Pferd«) und bedeutet Pferdehändler. Aufgrund der vielen Arbeits- und Ansiedlungsverbote, denen Rom*nja historisch in Europa ausgesetzt waren, mussten sie sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren; so zum Beispiel auf den Pferdehandel (siehe auch ➝ Kalderasch).
M
Manouches
Manouches (oder Manische in der Schweiz, Einzahl: Manouche, Manusch) ist die Selbstbezeichnung der ➝ Sinti*zze die seit dem 15. Jahrhundert im französischsprachigen Mitteleuropa ansässig sind. Manouche bedeutet in ihrer Variante des Romanes Mensch.
N
Nationalsozialistischer Genozid
Die Nationalsozialisten sahen gemäß ihrer Rassenideologie ➝ Sinti*zze und ➝ Rom*nja als minderwertig an und machten sie zum Objekt ihrer Rassenforschung. Es wurden umfangreiche Akten mit Fotos, Stammbäumen, Schädelvermessungen etc. angelegt, die Polizeibehörden auch nach 1945 noch nutzten. Sinti*zze und Rom*nja waren unter den Nationalsozialisten weitgehend von der Gesellschaft ausgeschlossen, durften bspw. keiner Lohnarbeit nachgehen oder in die Schule gehen. Sie wurden zwangssterilisiert und in Konzentrationslager deportiert. Zusätzlich zu ihrer Häftlingsnummer wurde ihnen der Buchstabe Z eintätowiert. Über 90 Prozent der europäischen Rom*nja wurden ermordet. Bis zu ihrer Ermordung bereicherten sich diverse deutsche Unternehmen an der von den Inhaftierten geleisteten Zwangsarbeit. In osteuropäischen Ländern gab es nationale Regierungen, die mit den Nazis bei der Ermordung von Rom*nja kollaborierten. Viele von ihnen wurden in ihren Wohnorten durch Massenerschießungen getötet, anstatt in Konzentrationslagern. Dieses Vorgehen wird „Holocaust by bullets“ genannt und macht es besonders schwer, die tatsächlichen Opferzahlen festzulegen. Insgesamt wurde mindestens eine halbe Million Sinti*zze und Rom*nja umgebracht. Dieser Genozid wurde erst 1982, nach jahrzehntelangen Kämpfen von Sinti*zze und Rom*nja, von der deutschen Bundesregierung anerkannt.
P
Porajmos
Porajmos bezeichnet den ➝ nationalsozialistischen Genozid an den ➝ Sinti*zze und ➝ Rom*nja. Analog zum Wort Shoah wurde ein eigener ➝ Romanes-Begriff für diesen Völkermord geprägt. Je nach Übersetzung bedeutet Porajmos »großes Verschlingen« oder »große Zerstörung«. Nicht alle Rom*nja benutzen den Begriff Porajmos, da er je nach Dialekt unterschiedliche Konnotationen haben kann. Deshalb kreierten Roma-Aktivist*innen im ehemaligen Jugoslawien in den 70er Jahren den Begriff Samudaripen, der so viel bedeutet wie »Der Mord an Allen«. Einige Sinti*zze und Rom*nja benutzen auch den Begriff Holocaust oder sprechen von Völkermord.
R
Rom*nja (Triggerwarnung)
Rom*nja ist die gegenderte Form von Roma (männlich: ein Rom, zwei Roma; weiblich: eine Romni, zwei Romnja). Dies ist die Selbstbezeichnung der größten europäischen Minderheit mit 10 bis 12 Millionen Menschen, deren Vorfahren vor über 1000 Jahren aus Indien einwanderten. Rom*nja leben in allen europäischen Ländern; es gibt viele Gruppen wie etwa ➝ Sinti*zze, ➝ Lovara, ➝ Manouches, ➝ Calé oder ➝ Kalderasch. Ihre ursprüngliche Sprache ist ➝ Romanes. Über Jahrhunderte wurde für Rom*nja die rassistische Fremdbezeichnung »Zigeuner« benutzt, die nie eine Selbstbezeichnung war und die von den allermeisten Rom*nja als zutiefst diffamierend abgelehnt wird. »Rom« kommt aus dem Romanes und bedeutet je nach Kontext Mann oder Mensch.
Romanes
Romanes ist die Sprache der ➝ Rom*nja; das entsprechende Adjektiv heißt romani. Sie ist mit dem Sanskrit verwandt und existiert inzwischen in vielen verschiedenen Dialekten mit Lehnwörtern aus anderen Sprachen. Umgekehrt haben auch Romanes-Worte Eingang in die Sprachen der europäischen Mehrheitsgesellschaften gefunden. Aufgrund von Zwangsassimilation und Verfolgung gibt es viele Rom*nja, in deren Familien kein Romanes mehr gesprochen wird. Die Sprache ist deshalb vom Aussterben bedroht. In Deutschland hat das Romanes den Status einer anerkannten Minderheitensprache. Der 5. November ist der Tag des Romanes und für viele Rom*nja ein wichtiges Datum.
Roma-Selbstorganisation
Roma-Selbstorganisation bezeichnet eine Organisation, in der sich ➝ Rom*nja zusammentun, um gemeinsam und selbstbestimmt gegen ➝ Antiziganismus zu kämpfen, ihre Rechte einzufordern und verschiedenste Formen von Communityarbeit umzusetzen. Es gibt Selbstorganisationen, die im strikten Wortsinn nur Angehörigen der Community offenstehen, und es gibt Organisationen von Rom*nja und Nicht-Rom*nja wie Amaro Foro. Organisationen wie der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sind dagegen vor allem Organisationen deutscher Sinti*zze, die aus der ➝ Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti*zze entstanden sind. Amaro Foro und andere Roma-Selbstorganisationen verstehen sich demgegenüber als Interessenvertretung vor allem aus Südosteuropa eingewanderter Rom*nja, unabhängig davon, wann diese Einwanderung stattgefunden hat.
Rumänien
Rumänien ist ein EU-Mitgliedstaat in Südosteuropa, in dem vermutlich etwa 10 Prozent der Bevölkerung ➝ Rom*nja sind. Aufgrund des ähnlichen Klangs werden in Deutschland die Begriffe immer wieder synonym verwendet und oft fungiert »Rumänen« als Chiffre für »Rom*nja«. In Rumänien waren Rom*nja bis ins 19. Jahrhundert versklavt, ohne dass das jemals offiziell anerkannt oder sie dafür entschädigt wurden. Das ist einer der Gründe, warum sie sich überdurchschnittlich oft in einer prekären Situation ohne Zugang zu Arbeit oder Gesundheitsversorgung befinden. Allerdings werden in der Regel nur Menschen als Rom*nja gelesen, die bestimmte soziale Merkmale erfüllen.
S
Sinti*zze
Sinti*zze ist die gegenderte Form von Sinti (männlich: ein Sinto, zwei Sinti; weiblich: eine Sintezza, zwei Sintizze). Dies ist die Selbstbezeichnung der ➝ Rom*nja, die seit über 600 Jahren im deutschsprachigen Raum ansässig sind.
Subsidiärer Schutz
Es gibt in Deutschland verschiedene Schutzformen für ➝ geflüchtete Menschen. Der subsidiäre Schutz greift, wenn weder Asyl nach §16 des Grundgesetzes noch der Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt werden, im Herkunftsland aber ernsthafter Schaden droht. Als solche Bedrohung gilt die Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, oder die Gefährdung des Lebens und der Unversehrtheit im Rahmen eines internationalen oder bewaffneten Konflikts. Der subsidiäre Schutz ist in §4 des Asylgesetzes geregelt.
W
Weltromatag
Am 8. April 1971 fand in London der erste Welt-Roma-Kongress statt. ➝ Rom*nja aus vielen verschiedenen Ländern beschlossen dort, sich länderübergreifend als eine Nation zu definieren, mit der Bezeichnung Roma (bzw. Rom*nja), der Sprache ➝ Romanes, der Hymne »Gelem, gelem« und der Roma-Flagge. Seitdem wird dieser Tag von Rom*nja auf der ganzen Welt gefeiert und ist auch in der Dominanzgesellschaft zunehmend bekannt.