Asylrechtsverschärfungen seit der Entstehung der BRD

Als 1949 das Grundgesetz der BRD verabschiedet wird, wird dort auch zum ersten Mal das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte, nämlich in §16a des Grundgesetzes (GG)[1] festgehalten. Dieses entstand in Folge des Zweiten Weltkrieges und der Tatsache, dass in Europa fast 2 Millionen Menschen über Jahre, ohne das Recht auf Asyl, vor Genozid und Krieg fliehen mussten.

Nach den Anschlägen in Mölln und den Pogromen von Hoyerswerda und nicht zuletzt Rostock-Lichtenhagen Anfang der 1990er Jahre setzten SPD, CDU und CSU 1993 eine Verschärfung des Asylrechts mit einer Grundgesetzänderung durch. Die Verschärfung gleicht einer regelrechten Abschaffung des Asylrechts. Denn kaum ein Mensch hat nun noch die Möglichkeit, sich darauf zu berufen. Keinen Anspruch hat, wer aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat einreist, oder wer auf seiner Flucht nach Deutschland über ein Land einreist, das als sicher eingestuft ist – wie fast jedes Land in Europa, nämlich alle EU-Mitgliedstaaten sowie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Kosovo, Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik, Montenegro, Republik Moldau und Serbien, aber auch Ghana und Senegal (Stand 2024).

Nur drei Tage nach der Verschärfung des Asylrechts wurden am 29. Mai 1993 beim Brandanschlag von Solingen fünf Menschen ermordet. Im Jahr zuvor starben fast 30 Menschen durch die Gewalt von Neonazis. Allein im September 1992 wurden 151 Schüsse, Brand- und Sprengstoffanschläge auf Unterkünfte von Asylbewerber*innen verübt.[2] Die Gewaltspirale in den 90er Jahren richtete sich immer auch gegen Rom*nja, wie beim Rostocker Pogrom gegen rumänische Rom*nja, die in Deutschland Asyl beantragten. Dieses wurde im Vorfeld massiv durch antiziganistische Berichterstattung befeuert. Statt die Betroffenen zu schützen, reagierte die Bundesregierung mit dem sogenannten Asylkompromiss.

Die Lage für Geflüchtete in Deutschland sollte sich mit weiteren Verschärfungen in den Folgejahren noch verschlechtern. Noch im selben Jahr wurde das Asylbewerberleistungsgesetz verabschiedet, das Geflüchteten Leistungen gewährt, die unter Transferleistungen wie der Sozialhilfe liegen.[3] Für Deutschland trat am 1. September 1997 das Dubliner Übereinkommen in Kraft, das die Zuständigkeiten für Asylverfahren den EU-Ländern zuschreibt, die von den Antragsteller*innen zuerst betreten wurden.[4] Mit der Möglichkeit, Staaten als sogenannte sichere Herkunftsstaaten zu deklarieren, wurden Bosnien-Herzigowina, Serbien und Mazedonien von der Bundesregierung 2014 als solche erklärt. Schnellverfahren und Beweislastumkehr waren die Konsequenzen daraus und es kann davon ausgegangen werden, dass die vorangegangenen antiziganistischen Mediendebatten um sogenannte Armutszuwanderung und Sozialleistungsmissbrauch diese Entscheidungen mitzutragen haben. 2015 wurden dann auch Kosovo, Montenegro und Albanien zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz aus demselben Jahr werden Geflüchtete aus diesen Staaten in gesonderten Unterkünften untergebracht, die von ihnen nicht verlassen werden dürfen. Das 2016 verabschiedete sogenannte Asylpaket II ermöglicht nun die Abschiebungen schwerstkranker Geflüchteter.[5]

Das 2019 verabschiedete „zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ soll den Verbleib von geflüchteten Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen bis zum Abschluss des Asylverfahrens sichern. Außerdem wurden damit Gründe für Abschiebegewahrsam, Leistungskürzungen und Arbeitsverbote ausgeweitet. Auch in den Pandemiejahren wurde auf Grundlage dieser Gesetze, ohne Rücksicht auf Gesundheitszustände von Geflüchteten und in Berlin beispielsweise auch gegen das Winterabschiebeverbot, abgeschoben. Besonders davon betroffen sind Rom*nja aus der Republik Moldau, denen auch medial konsequent ihre legitimen Fluchtgründe abgesprochen werden.

Mit der finalisierten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) im Mai 2024 wurde EU-weit der Zugang zu vollwertigen Asylverfahren und das Recht auf Schutz massiv eingeschränkt. Mit dieser Reform sollen Schutzsuchende, die an EU-Außengrenzen ankommen, in Screening-Verfahren registriert und innerhalb von zwölf Wochen über einen möglichen Asylantrag entschieden werden. Diese Identitätsfeststellung dient unter anderem dazu, sogenannte irreguläre Sondermigration zu verhindern. Die Erfassung biometrischer Daten soll schon bei Kindern ab sechs Jahren stattfinden. Geflüchtete sollen nach diesem Gesetz in sogenannten Transitzonen untergebracht werden, das heißt in Lagerkomplexen an der EU-Außengrenze, die haftähnlichen Zuständen gleichen. Dabei herrscht außerdem Uneinigkeit über bestimmte Regularien wie z. B. welche Staaten als „sichere Drittstaaten“ gehandelt werden,[6] was gerade für geflüchtete Rom*nja aus den genannten Ländern verheerende Auswirkungen haben kann.

Die medialen Debatten um Flucht und Migration, die in Wechselwirkung mit der Politik nur noch darum zentriert sind „entschlossen abzuschieben“, sind der Nährboden sowohl für Rechtsextreme als auch für alltäglichen Rassismus und Antiziganismus der weißen Mehrheitsgesellschaft. Denn um diese Debatten kreisen nicht nur die „Remigrationspläne“ der AfD, die Wahlerfolge der Rechtsextremen in den ostdeutschen Bundesländern oder der Anstieg von tatsächlichen Abschiebungen, sondern auch das Aufweichen von demokratischen Strukturen, das die regierenden Parteien zu verantworten haben.

[1] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16a.html

[2] Der rechte Rand: Im Jahr 1992 eskalierte die rassistisch motivierte Gewalt, https://www.der-rechte-rand.de/archive/8537/

[3] 5 Jahre Dokumentationsstelle Antiziganismus. Ein Rückblick. Berlin 2019. S. 58.

[4] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/176798/dubliner-uebereinkommen/

[5] 5 Jahre Dokumentationsstelle Antiziganismus. Ein Rückblick. Berlin. 2019. S.59.

[6] https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/522800/reform-des-gemeinsamen-europaeischen-asylsystems/