Amaro Foro veröffentlicht die Auswertung antiziganistischer Vorfälle 2021
„Antiziganismus ist eine alltägliche Erfahrung“
„Obwohl pandemiebedingt viele unserer Meldestrukturen weggefallen sind, sind uns im letzten Jahr 137 antiziganistische Vorfälle direkt gemeldet worden. Das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn viele Beratungsstellen und ähnliche Einrichtungen haben nur telefonisch oder per Mail zur Verfügung gestanden“, erklärt Projektleitung Violeta Balog. „Wir haben deshalb besonders viele Meldungen im Bereich Alltag und öffentlicher Raum gehabt. Das zeigt, dass Menschen mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund nicht nur in Behörden, sondern buchstäblich in ihrem gesamten Alltag immer mit Abwertung und Ausgrenzung bis hin zu Gewalt rechnen müssen.“
Ein aktuelles Schwerpunktthema ist Antiziganismus im Internet. Dieser äußert sich immer häufiger und ungehemmter, beispielsweise in Form von NS-Relativierung oder allgemeiner Hassrede gegen marginalisierte Gruppen.
„Ein weiteres wichtiges Thema waren Datenerhebungen in Bezug auf ethnische Zugehörigkeit. Nach einer parlamentarischen Anfrage mussten Berliner Behörden einräumen, dass sie in vielen Fällen einen vermuteten Roma-Hintergrund in ihren Akten vermerkt haben. Das ist nicht nur rechtswidrig und irrelevant, sondern auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und aus ethischer Perspektive höchst problematisch“, betont Balog.
Trotz der nicht repräsentativen Fallzahl sind die gemeldeten Vorfälle äußerst besorgniserregend: „Phänomene wie Lohnbetrug durch Arbeitgeber oder die Verweigerung von Bildungschancen dokumentieren wir seit Beginn des Projektes. Sie wirken sich in einer Pandemie, in der die Kommunikation erschwert und die materielle Situation oft besonders prekär ist, jedoch noch gravierender aus. Dies gilt umso mehr, als auch Unterstützungsstrukturen oft nur eingeschränkt erreichbar waren“, erklärt Balog.
Medienberichte wurden ebenfalls ausgewertet. Hier war 2021 besonders die Diskussion um die rassistische Fremdbezeichnung auffällig: Es ist erschreckend, dass das überhaupt noch in diesem Umfang diskutiert wird. Darüber hinaus gab es reißerische Medienberichte über Geflüchtete aus Moldau, die verallgemeinert als Rom*nja abgestempelt und stigmatisiert wurden und denen pauschal unterstellt wurde, sie würden einreisen, um hier angeblich Leistungen zu erschleichen. Mithilfe einer Täter-Opfer-Umkehr wurde eine regelrechte Drohkulisse aufgebaut, so dass vielen schutzbedürftigen Menschen jede Empathie verwehrt blieb.
Amaro Foro e.V. ist ein transkultureller Jugendverband von Rom*nja und Nicht-Rom*nja. Gemeinsam engagieren wir uns gegen Antiziganismus und für Teilhabe und Chancengerechtigkeit. Wir organisieren Bildungs- und Freizeitangebote für Jugendliche, bieten praktische Unterstützung im sozialen Bereich an und sensibilisieren in der Bildungsarbeit und in der politischen Debatte zum Thema Antiziganismus. „Amaro Foro“ ist Romanes und bedeutet „Unsere Stadt“.
Die Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) existiert bei Amaro Foro seit 2014 und ist bundesweit das einzige Projekt dieser Art. Wir dokumentieren antiziganistische Vorfälle in Berlin in allen Lebensbereichen und veröffentlichen unsere Auswertungen. Mit gezielter Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit machen wir auf Antiziganismus aufmerksam und sensibilisieren politische und soziale Akteure ebenso wie die Medien.