Antiziganismus im Schulalltag

Als Rom*nja gelesene Kinder und Jugendliche erleben eine fortlaufende Diskriminierung im deutschen Bildungswesen. Die Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) dokumentiert in Berlin im Bereich Bildung seit 2014, dass Kinder und Jugendliche mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund häufig Opfer von rassistischem Mobbing sind, welches sie durch Mitschüler*innen, aber auch durch Lehrkräfte, Schulleitungen sowie Schulsozialarbeiter*innen erfahren. So werden rassistische Äußerungen und diskriminierende Sprache im Schulalltag normalisiert. Der niedrige Sensibilisierungsgrad von Mitarbeitenden auf allen Ebenen der Bildungsinstitutionen stellt in diesem Zusammenhang ein zentrales Problem für Rom*nja oder als solche wahrgenommenen Menschen dar.

In unserer Arbeit erleben wir immer wieder, dass sich ein antiziganistisches Narrativ über Rom*nja besonders hartnäckig hält: die angebliche Schuldistanz. Dabei wird selten in Betracht gezogen, dass antiziganistische Diskriminierung im Schullalltag bis hin zu rassistischer Gewalt natürlich dazu führen kann, dass Kinder der Schule fernbleiben und dann wiederum als schuldistanziert markiert werden. Ausschlussmechanismen und Exklusion äußern sich auch in der Vergabe bzw. Nicht-Vergabe von Schulplätzen. Die gewaltvollen Erfahrungen können dazu führen, dass Kinder der Schule fernbleiben, während sich Lehrkräfte und Schulleitungen der Verantwortung entziehen und den Familien selbst die Schuld für eine „Schuldistanziertheit“ geben, diese kulturalisieren, statt selbst aktiv gegen Diskriminierung an ihrer Schule vorzugehen und in akuten Fällen zu intervenieren. Auch wenn die rassistische Fremdbezeichnung fällt, fehlt es Lehrkräften häufig an Bewusstsein und Sensibilität für rassistische Diskriminierung. Das Kind, welches antiziganistisch beschimpft wurde, wird eher für den Konflikt zur Verantwortung gezogen als Kinder, die sich rassistisch/antiziganistisch geäußert haben. Erwachsene, also Lehrkräfte oder Schulleitungen, übernehmen hier selten bis nie Verantwortung für eigene rassistische Handlungen. Diese werden eher abgestritten, um sich selbst oder die Institution so darzustellen, als gäbe es keinen Rassismus und Antiziganismus. Bis heute hat sich an dieser Täter-Opfer-Umkehr kaum etwas geändert. Es fehlen nach wie vor niedrigschwellige, vertrauenswürdige und rassismuserfahrene Beschwerdestellen mit tatsächlicher Handlungsmacht.

In Berlin beraten bei Diskriminierung in der Bildung das Projekt »KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen!« der Fachstelle Kinderwelten für vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung am Institut für den Situationsansatz (ISTA) mit dem Fokus auf Kita bzw. Kinder im Alter bis 12 Jahren und »ADAS – Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen«. Außerdem gibt es inzwischen zwei etablierte bezirklich ausgerichtete Stellen: die Anlauf- und Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen und in Kitas in Friedrichshain-Kreuzberg, in der Trägerschaft der RAA Berlin, die im Bereich der Antidiskriminierungsarbeit an Schulen tätig ist, und das Projekt »Diskriminierungsfreie Bildung im Wedding« von NARUD e.V. Eine weitere Anlaufstelle in Lichtenberg ist in der Entwicklungphase. Doch je jünger die Zielgruppe, desto weniger Beratungsstrukturen gibt es. An gut ausgebauten Beratungsstrukturen für die Kita und den (Grund-)Schulbereich fehlt es nach wie vor. In Anbetracht der Relevanz und der weitreichenden Folgen von Bildungsdiskriminierung müssen diese Strukturen gestärkt und ihre Kompetenzen ausgebaut werden.