„Wir müssen jetzt eine humanitäre Katastrophe verhindern!“

8.4.2020

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Der 8. April ist Welt-Roma-Tag. Weltweit feiern Rom*nja seit 1971 diesen Tag der Sichtbarkeit und gesellschaftlichen Teilhabe. Sie gedenken außerdem der mindestens 500.000 im Nationalsozialismus ermordeten Rom*nja. Die Bürgerrechtsbewegung der Rom*nja und Sinti*zze hat besonders in den letzten Jahrzehnten viel erreicht. In Berlin gibt es heute eine Vielfalt von Selbstorganisationen und Interessenvertretungen von Rom*nja und Sinti*zze. Doch obwohl die Roma-Bewegung viele Erfolge erkämpft hat, erstarken in Zeiten von Corona antiziganistische
Ressentiments. Viele Rom*nja besonders in osteuropäischen Ländern sind aufgrund ihrer prekären Lebensbedingungen und des allgegenwärtigen Antiziganismus existenziell bedroht. Die Rathäuser Neukölln und Charlottenburg setzen mit dem Hissen der Roma-Flagge an diesem Tag ein wichtiges Zeichen der Anerkennung. In einer solchen Krise darf es jedoch nicht bei solch
wichtigen Symbolen bleiben.

„Wir beobachten die derzeitige Situation vieler Rom*nja in osteuropäischen Ländern mit großer Sorge“, erklärt Merdjan Jakupov, Vorsitzender von Amaro Foro e.V. „Ihre Lebenssituation in Bulgarien, Rumänien, Serbien und anderen (West-)Balkanstaaten war schon vorher äußerst prekär. Rom*nja sind häufig gezwungen, in informellen Siedlungen ohne Wasser oder Strom zu leben. Häufig leben viele Menschen auf engem Raum zusammen. Quarantäne oder überhaupt räumlicher Abstand zu anderen sind für sie schlicht nicht möglich. Außerdem versuchen rechtsextreme und nationalistische Politiker*innen, Rom*nja zum Sündenbock zu machen. Dies hat in Bulgarien in einigen Städten bereits dazu geführt, dass vorwiegend von Rom*nja bewohnte Siedlungen oder Stadtviertel vollständig abgeriegelt wurden, so dass die Bewohner*innen von jeglicher Versorgung abgeschnitten sind.“

Hinzu kommt die ökonomische Situation: Viele Roma-Communities sind vom Zugang zum ersten Arbeitsmarkt ausgeschlossen und in ihren wenigen Verdienstmöglichkeiten auf den informellen Sektor beschränkt. Aufgrund der derzeitigen Ausgangssperren sind viele von ihnen im Moment völlig mittellos und können sich und ihre Familien nicht mehr versorgen. Auch Zugang zu medizinischer Versorgung haben die meisten nicht.

„Antiziganismus ist in allen europäischen Gesellschaften tief verankert und weit verbreitet. In den letzten Jahren sind nicht nur in Deutschland antiziganistische Einstellungsmuster und entsprechende Praktiken auf dem Vormarsch und verfestigen sich weiter. Wir befürchten in der derzeitigen Situation Hungersnöte, massive Grundrechtseinschränkungen und rassistische Pogrome“, betont Merdjan Jakupov. „Der Antiziganismus hat in Zeiten von Corona eine neue Qualität erreicht. Wir müssen jetzt eine humanitäre Katastrophe verhindern!“

Amaro Foro e.V. begrüßt die zivilgesellschaftlichen Initiativen und Selbsthilfenetzwerke, die bereits entstanden sind, um Rom*nja in besonders vulnerablen Lagen zu unterstützen. „Freiwilliges Engagement alleine wird hier aber nicht ausreichen. Wir fordern die Institutionen der Europäischen Union deshalb auf, sämtliche Mitgliedsstaaten, Beitrittskandidaten und Anrainerstaaten dabei zu unterstützen, die Minderheit der Rom*nja angemessen vor dem Virus, vor Hungersnot und Verelendung und vor rassistischen Pogromen zu schützen“, fordert Merdjan Jakupov. „Dazu muss auf die Staaten notfalls Druck ausgeübt werden, die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte sowie die körperliche Unversehrtheit sämtlicher dort lebender Menschen zu garantieren. Hier sehen wir auch die Bundesregierung in der Pflicht, ihren Einfluss in Europa zu nutzen und außerdem selbst Unterstützungsprogramme aufzulegen.“

Amaro Foro e.V. ist eine transkulturelle Migrant*innenjugendselbstorganisation von Rom*nja und Nicht-Rom*nja in Berlin. Der Vereinsname ist Romanes und bedeutet „unsere Stadt“. Wir engagieren uns gemeinsam im Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für Empowerment, Selbstorganisation und gesellschaftliche und politische Teilhabe.

Bitte unterzeichnen Sie die Petition #SaveRomafromCorona: Protect Romani Communities from a Catastrophe an die EU-Kommission hier.