Amaro Avazi I Unsere Stimme
5 Jahre Community Building der Berliner Roma-Selbst-Organisationen
EINFÜHRUNG
Welche Gruppen von Roma und Sinti gibt es in Berlin?
Berlin ist einer der Orte in Deutschland, an denen viele verschiedene Gruppen von Sinti und Roma leben. Hier gibt es Communities von deutschen Sinti*zze, von Rom*nja aus dem ehemaligen Jugoslawien, die als sogenannte Gastarbeiter oder später als Kriegsflüchtlinge kamen und es gibt die Gruppe von Rom*nja aus den osteuropäischen EU-Ländern, die als Arbeitsmigranten von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen.
Warum braucht es Community Building und was ist das?
Während die deutschen Sinti*zze schon seit Jahrhunderten hier leben und sich eine politische Vertretung aufgebaut haben, sind die Berliner Roma-Communities erst vergleichsweise kurze Zeit in Deutschland und noch dabei, sich eine Interessenvertretung aufzubauen. In den 2000er und 2010er Jahren gründeten sich in Berlin unter anderem Amaro Foro, das Rroma Informations Centrum, die IniRromnja und einige weitere Selbstorganisationen, die sich alle als Sprachrohr der nichtdeutschen Roma-Communities verstehen. Mit dem Roma-Aktionsplan 2013 erkannte
der Berliner Senat als erste deutsche Landesregierung die Notwendigkeit einer solchen Interessenvertretung explizit an und rief das Projekt „Community Building“ ins Leben. Denn nur solche Selbstorganisationen, die über ein Minimum an Ressourcen verfügen, um ihre Arbeit nachhaltig abzusichern, können in der politischen Debatte auch wirkungsvoll als Interessenvertreter agieren. Das Projekt erkennt damit auch gleichzeitig die Notwendigkeit an, dass Rom*nja selbst ihre Bedarfe und Wünsche artikulieren und nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Außerdem soll durch das Projekt die Stärkung der Community auch nach innen erreicht werden. Die beteiligten Träger begleiten politische Entwicklungen und mediale Diskurse durch Veranstaltungen, Stellungnahmen und Öffentlichkeitsarbeit und bieten gleichzeitig über die Organisation von Festen und Begegnungen der Community die Möglichkeit, eigene, positive Akzente zu setzen und sich selbst überhaupt als Community zu begreifen und den Zusammenhalt zu stärken.
Und wieso ist das nötig?
Rom*nja und Sinti*zze sind in Deutschland eine der am stärksten diskriminierten Gruppen. Seit Jahren belegen Studien beispielsweise, dass Angehörige der Mehrheitsgesellschaft mehrheitlich glauben, dass Rom*nja und Sinti*zze zur Kriminalität neigen würden oder sie aus den Innenstädten verbannen wollen. Auch in Berlin sind strukturelle und individuelle Diskriminierungen an der Tagesordnung für Menschen, die Roma sind oder dafür gehalten werden. Eine weitere Erscheinungsform von strukturellem Rassismus ist dabei zweifellos in der oft schwierigen Situation von Rom*nja ohne deutsche Staatsbürgerschaft zu sehen. Rechtliche Veränderungen besonders der letzten Jahre haben dazu geführt, dass es für Rom*nja aus Nicht-EU-Staaten nahezu keine Perspektive in Deutschland mehr gibt und dass solche aus den EU-Mitgliedsländern in mehrfacher Hinsicht deutlich schlechter gestellt sind als deutsche Staatsbürger*innen. Diese erschwerte Situation ist als die wichtigste Hürde bei der sogenannten Integration zu sehen, nicht etwa, wie vielfach unterstellt, eine „andere Kultur“ oder dergleichen. Auch um diese einfache Tatsache zu betonen und um gegen die strukturellen Diskriminierungen nichtdeutscher Rom*nja zu kämpfen, ist eine starke Roma-Community von großer Bedeutung.