Laut Erkenntnissen der Studie »Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland« stimmten 57,8Prozent der Befragten der Aussage »Ich hätte Probleme damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten« zu. Laut 49,6Prozent der Befragten sollen »Sinti und Roma aus den Innenstädten verbannt werden«. 58,5Prozent der Befragten glauben, dass Sinti und Roma zu Kriminalität neigen. [1] Die vorliegende Auswertung der antiziganistisch [2] motivierten und diskriminierenden Vorfälle, die berlinweit 2016 stattfanden, bestätigt die alarmierenden Schlussfolgerungen dieser Studie und zeigt anhand von konkreten Fallbeispielen, wie sich die gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen gegen Menschen mit tatsächlichem oder zugeschriebenem Roma-Hintergrund in allen Lebensbereichen auswirken. Seit 2014 erfasst Amaro Foro e.V. systematisch diskriminierende und antiziganistisch motivierte Vorfälle, die in Berlin stattfinden, und unterstützt Betroffene durch Aufklärungsarbeit über Handlungsmöglichkeiten, Empowermentarbeit und Verweisberatung dabei, gegen Benachteiligungen vorzugehen. Das Projekt wird von der Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung gefördert und in enger Zusammenarbeit mit Migrationsberatungsstellen, Antidiskriminierungsberatungsstellen und -netzwerken sowie Fachanwälten*innen umgesetzt. Die jährliche Auswertung dient der Sichtbarmachung und Sensibilisierung der fachlichen und allgemeinen Öffentlichkeit zu den gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen, denen Menschen mit zugeschriebenem Roma-Hintergrund ausgesetzt sind.
Seit Anfang 2016 wurden insgesamt 568 Vorfälle erfasst, davon 1463 in den bisher erfassten Lebensbereichen. Zudem wurde die mediale Berichterstattung im Vergleich zu 2014 und 2015 nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ analysiert. Von insgesamt 130 gesichteten Artikeln wurden 63 als diskriminierend gewertet. Dazu wurden 350 antiziganistische Artikelkommentare und neun exemplarische antiziganistische Internetpostings (bei sozialen Medien und auf Portalseiten) erfasst. Aus diesem Grund ist im Vergleich zu 2015 ein Zuwachs von 383Prozent zu beobachten. Die registrierten Zahlen sollten allerdings nicht als repräsentativ für die Dimension des Phänomens in Berlin betrachtet werden, da Diskriminierungserfahrungen oft aus Angst von weiteren Benachteiligungen nicht gemeldet werden. Für die Auswertung wurden 101 repräsentative Fallbeispiele ausgewählt, die in den entsprechenden Kapiteln vorgestellt werden. In diesem Bericht wird zunächst der rechtliche und politische Kontext dargestellt, in diesem Fall vor allem die Gesetzesänderungen von 2016, die sowohl Unionsbürger*innen als auch Roma-Asylbewerber*innen aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten betreffen und auf antiziganistischen Stereotypen und Unterstellungen basieren. Darauf folgt die Präsentation der Kategorien der Erhebung sowie Fallbeispiele. Außerdem wurden mediale Darstellungen in Bezug auf antiziganistische Stereotype untersucht und qualitativ und quantitativ analysiert, die Auswertung findet sich am Ende des Berichts. Darin enthalten sind die Auswertung diskriminierender Posts in sozialen Medien, Portalseiten und den Kommentarspalten.
[1] Deckler, Oliver; Kies, Johannes; Brähler, Elmar (Hg.) (2016): Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland – die Leipziger »Mitte-Studie« 2016. Gießen: Psychosozialverlag.
[2] Der Begriff Antiziganismus bezeichnet das historisch gewachsene Ressentiment der Mehrheitsgesellschaft gegenüber Rom*nja bzw. als solche wahrgenommenen Menschen. Antiziganismus äußert sich in strukturellen Diskriminierungen ebenso wie in individuellen Handlungen und Medienberichten. Für die Verwendung dieses nicht unumstrittenen Begriffs haben sich die Mitglieder von Amaro Foro e.V. entschieden, um zum einen deutlich zu machen, dass diese Form von Rassismus nichts mit den als Rom*nja wahrgenommenen Menschen, sondern mit dem Klischee der Mehrheitsgesellschaft zu tun hat, und zum anderen auch die Realität all jener Menschen abzubilden, die von Antiziganismus betroffen sind, ohne tatsächlich Rom*nja zu sein.